Die nachstehend abgedruckte Rede hielt die Ratsfrau Conny Laasch (Die Grünen) am 28.09.2023 in der Sitzung des Rates der Stadt Bückeburg, in der die planerischen Vorausetzungen für den Neubau des Logistikzentrums von EDEKA/Bauerngut final beschlossen wurden:
Herr Vorsitzender, Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
heute ist ein trauriger Tag für Bückeburg.
Heute Abend findet der lange Prozess um die Fläche zum Bau eines Hochregallagers seinen Abschluss. Nachdem der Kreistag am Dienstag die Herausnahme aus dem Landschaftsschutzgebiet beschlossen hat, werden wir heute den Flächennutzungsplan ändern und eine Fläche, die bislang der Landwirtschaft und der Erholung vorbehalten war, in ein Gewerbegebiet umwandeln. Diese Fläche soll zu 85 % versiegelt und mit einem 30 m Gebäudekomplex bebaut werden.
Die umfangreichen Unterlagen zu diesem Vorgang lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
DAS MACHT DOCH NICHTS, DAS MERKT DOCH KEINER.
Das macht nichts, weil die Fläche naturschutzfachlich geringerwertig eingestuft wird – es ist kein Moor oder Magerrasen; sie wird, da von hoher Bodengüte ackerbaulich genutzt.
Aber auch hier brüten Feldlerchen und tummeln sich Erdkröten.
Zudem gäbe es dort nur einen geringen Erholungs- und Erlebniswert.
Über 2000 Menschen haben eine Petition zur Erhaltung der Fläche unterschrieben, sie bewerten das anders.
Wieso hat ein Getreidefeld keinen Erlebniswert?
Kürzlich haben wir beim Jahresempfang der Landeskirche das Kirchenlied aus dem 17. Jahrhundert „Geh aus mein Herz und suche Freud“ gesungen.
Eine Strophe lautet: der Weizen wächset mit Gewalt, darüber jauchzet jung und alt.
Das Fachgutachten ist -wie bei solchen Vorhaben üblich- von Bauerngut bezahlt worden, es erscheint mir sehr auftraggeberorientiert erstellt.
Das Gebiet zeichnet sich laut Verordnung durch eine hohe Landschaftsvielfalt aus - es ist eine durch Gehölzgruppen und Hecken gegliederte Feldflur mit freiem Blick zu den Waldrändern. Im Naturschutzgesetz ist auch das Landschaftsbild ein Schutzgut - wie Feldhamster oder Frauenschuh - Orchidee.
Der Kreis Minden -Lübbecke hat sich gegen das Vorhaben ausgesprochen.
Er hat seine an unser Landschutzgebiet angrenzenden Flächen ebenfalls als Landschutzgebiet ausgewiesen. Und begründet seine Ablehnung so: die besondere Wertigkeit des Gebiets beruht auf der großflächigen Bebauungsfreiheit und der Strukturierung durch Hecken und Gehölze.
Die betroffene Fläche muss, selbst wenn sie nur eine Ackerfläche ist, im Zusammenhang mit dem umgebenden Freiraum betrachtet werden und ist daher schützenswert.
Das merkt auch keiner: gemäß dem Bebauungsplan der Stadt Bückeburg wird der Gebäudekomplex grün angestrichen und vor die Fassade werden Bäume gepflanzt.
Laut Fachgutachten ist somit die landschaftsbildästhetische Beeinträchtigung gering.
Visualisierungen zeigen aber, dass das Hochregallager von großen Teilen Bückeburgs aus zu sehen sein wird. Und abends mit Beleuchtung: zur Flugsicherung müssen am Dach blinkende Positionslichter angebracht werden. Christian Wiegand vom Naturpark Weserbergland weist darauf hin, dass im Landschaftsschutzgebiet Harrl dadurch der freie Blick zur Wülpker Egge verbaut ist.
Und das ist erst der Anfang: das Bauerngut Fleischwerk im Hasengarten ist veraltet und abgeschrieben. Ein Neubau im Landschaftsschutzgebiet ist nur eine Frage der Zeit. Und dann wird auch der Kreis Minden-Lübbecke Baubegehrlichkeiten nicht weiter abweisen und die Flächen in seinem Schutzgebiet, das durch die Schaumburger Bebauung ja schon beeinträchtigt ist, freigeben.
Wir öffnen mit der Teillöschung für Bauerngut die Büchse der Pandora, am Ende wird die gesamte Fläche unterhalb der Wülpker Egge bebaut sein.
Sehr geehrte Ratsmitglieder, sagen Sie dann nicht: das haben wir nicht gewusst oder das haben wir so nicht gewollt.
Die grüne Ratsfraktion trägt Verantwortung für die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen unserer Stadt und daher möchten wir die Firma Bauerngut in Bückeburg halten.
Es gibt aber Alternativen zu der Fläche im Landschaftsschutzgebiet. Wenn man damals, als Bauerngut den Erweiterungsbedarf anmeldete, nicht Zeit mit dem Versuch vertan hätte, die Bundeswehrfläche zu erwerben, die übrigens auch im geschützten Gebiet liegt, dann wäre es bei Flexibilität des Bauträgers möglich gewesen, im Gewerbegebiet Kreuzbreite zu bauen.
Die von Bauerngut gewünschte räumliche Nähe zum Fleischwerk ist auch nicht zwingend notwendig. Dies sieht man daran, dass die Firma jetzt in Barsinghausen Lagerfläche für 10 Jahre angemietet hat.
In dem geplanten Logistikzentrum werden Lieferungen für Edeka-Filialen zusammengestellt. Das sind nicht nur Produkte von Bauerngut - das sind nämlich laut Firma nur 200 t täglich, also 12 LKW Lieferungen - ein großer Teil kommt von Fremdfirmen. Und daher baut man ein Auslieferungslager normalerweise verkehrstechnisch günstig ins Zentrum des Liefergebiets, bevorzugt an Autobahnen.
Die Firma Bauerngut gehört zum europaweit agierenden EDEKA – Konzern.
Sie hat der Stadt Bückeburg keine Arbeitsplatz –und auch keine Standortgarantie gegeben. 2005 wurde eine Fläche im Naturschutzgebiet Kameshügellandschaft in Rinteln gelöscht, weil das Kieswerk Reese dort Sand für das Betondachsteinwerk der Firma Braas abbauen wollte. 2008 hat Braas dann den Standort Rinteln geschlossen.
Für kurzfristige wirtschaftliche Interessen soll hier mit gravierenden Schäden für Mensch, Natur und Umwelt wertvolle Landschaft unwiederbringlich zerstört werden - der Preis ist zu hoch und das Risiko zu groß,wir lehnen die Änderung des Flächennutzungsplans ab.
Es steht nicht gut um unsere Erde - der Klimawandel hat begonnen. Wir sind die erste Generation, die seine Auswirkungen zu spüren bekommt und die letzte Generation, die noch etwas dagegen tun kann. Dennoch rasen wir mit Vollgas auf die Klimahölle zu, so hat es der UN- Generalsekretär Guterres zur Eröffnung der letzten Weltklimakonferenz formuliert.
Der Verlust der Artenvielfalt schreitet ungebremst voran, er ist existenzbedrohend für die Menschheit.
Unversiegelter Boden ist rar und ein hohes Schutzgut. Deshalb soll laut Plan der Bundesregierung die Neu - Versiegelung von Flächen bis 2050 auf 0 reduziert werden.
Wir tragen Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder und wir müssen daher unser Handeln, unseren Umgang mit der Natur ändern.
Wenn wir so wie bisher weitermachen, werden nachfolgende Generationen - wenn der letzte Fisch gefangen, der letzte Baum gerodet und der letzte Fluss vergiftet ist - feststellen müssen, dass man Geld nicht essen kann.
Viele Menschen haben sich für den Erhalt der Fläche im Landschaftsschutzgebiet eingesetzt. Sie haben Leserbriefe verfasst, Politiker*innen angeschrieben, Flyer entworfen und großflächig verteilt, sie haben regelmäßig an Infoständen in der Fußgängerzone Unterschriften gesammelt.
Manche ihrer Aktionen stießen nicht überall auf Gegenliebe.
Dieser uneigennützige Einsatz verdient aber Anerkennung.
Viele sind heute enttäuscht und traurig – das bin ich auch. Dennoch, dass es Menschen gibt, die den Ernst der Lage erkannt haben und sich für den Erhalt unserer Umwelt einsetzen, erfüllt mich mit Hoffnung, das macht mir Mut.
Wir werden nicht aufgeben, wir machen weiter – und : wir schaffen das!
- lang anhaltender Beifall aus dem Zuschauerbereich -