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Der Dritte im Bunde
Jetzt auch der Verein Landschaftsschutz Schaumburg gegen ICE-Neubaustrecke / Aber Abgrenzung zur Politik
VON JOHANNES PIETSCH
BÜCKEBURG/LANDKREIS. Bislang sind es im Raum Bückeburg neben der heimischen Politik in erster Linie die Bürgerinitiative Bigtab und der Förderverein Bückeburger Niederung gewesen, die sich am entschiedensten und am meisten öffentlichkeitswirksam gegen eine ICE-Neubaustrecke Hannover-Bielefeld engagiert haben. Jetzt hat sich auch der Verein Landschaftsschutz Schaumburg klar gegen das hoch umstrittene Projekt von Bahn und Bundesverkehrsministerium positioniert. „Der Plan, wegen einer Fahrzeitverkürzung von wenigen Minuten Milliarden von Euro zu verbrennen, Landschaften unter besonderem Schutz zu vernichten und den Bewohnern einer ganzen Region die Lebensqualität zu nehmen, ist irrsinnig“, erklärte der Vorsitzende des Vereins, Andreas Frenzel-Rückert aus Bückeburg, in einer Pressemitteilung.
In dieser Frage sind sich die Bürger und die Politik einmal weitgehend einig. Was bei den öffentlichen Stellungnahmen von Bürgermeister, Rat, Landrat und den übrigen Politikvertretern zur ICE-Trasse unbemerkt bleibt, ist die Zerstörung von Landschaft und Natur durch das parallele Projekt des neuen Logistikzentrums von EDEKA/Bauerngut, welches von den gleichen Politikern massiv gefördert wird.
Dabei richtet der Verein, der sich unter dem Motto „Wir lieben Bückeburg“ in den vergangenen zwei Jahren in erster Linie gegen den möglichen Neubau eines Logistikzentrums der Firma Edeka/Bauerngut südlich des Mausoleums engagierte, sein zentrales Augenmerk neben der bedrohten Bückeburger Niederung vor allem auf das Landschaftsschutzgebiet Bückeburg-West/ Sandfurth.
Landschaftsschutz Schaumburg ist der Name unseres Vereins und damit ist unser Programm auch schon beschrieben. Wie notwendig dies ist, ist schon allein an den beiden in Rede stehenden Projekten “ICE-Trasse” und “Logistikzentrum” zu erkennen.
Und das aus gutem Grund: Denn wie beim siebten Plenum im Rahmen des Planungsdialoges zum Bahnprojekt Hannover-Bielefeld am 31. Januar 2023 bekannt wurde, verlaufen nicht nur zwei der insgesamt sechs noch aktuellen Korridore für eine mögliche ICE-Neubaustrecke (die mit den Nummern K1 und K4) westlich an Bückeburg vorbei quer durch das Landschaftsschutzgebiet, in dem auch die Firma Bauerngut ihren Neubau plant. Auch die für die beiden Auetal-Korridore K5 und K6 erforderliche „Verbindungsspange Minden“ von Buchholz nach Petzen zieht sich mitten durch diesen Bereich und damit nebenbei auch über den Standortübungsplatz Bückeburg-Röcke der Bundeswehr nebst Flugplatz des Luftsportvereins Bückeburg-Weinberg (unsere Zeitung berichtete).
Sowohl die Trassenkorridore K1 und K4 (grün) als auch der Korridor für die Verbindungsspange Minden (magenta)
führen über das Landschaftsschutzgebiet südlich von Bückeburg. GRAFIK:DB NETZ AG
„Was die derzeitigen Planungen zwischen Bielefeld und Hannover betrifft, halten wir schon den Ansatz für völlig falsch“, heißt es in der Pressemitteilung des Vereins Landschaftsschutz-Schaumburg. Man lehne einen Tunnel unter dem Standortübungsplatz sowohl in offener als auch geschlossener Bauweise ebenso grundsätzlich und vollständig ab wie eine Trasse durch die Bückeburger Niederung, unter dem Idaturm hindurch oder durch das Auetal. Absolut nicht nachvollziehbar sei die Anforderung der zu erreichenden Höchstgeschwindigkeit von 300 Kilometern pro Stunde zwischen Bielefeld und Hannover. Frenzel-Rückert: „Während der ICE zwischen Köln und Bielefeld mit 106 Stundenkilometern vor sich hin zuckelt, muss er auf den letzten Kilometern 300 fahren, um das Ziel zu erreichen. Völlig absurd!“
Der Deutschland-Takt, für den die Höchstgeschwindigkeit erforderlich sein soll, soll laut DB AG erst in 2070 realisiert werden. Wir dürfen hoffen, dass künftige Bahnmanager-Generationen bis dahin nicht mehr dem Geschwindigkeitswahn erliegen oder das Irrsinnsprojekt mindestens aus Geldmangel gestoppt werden muss.
Im Gegensatz zur Bürgerinitiative Bigtab, die sich in Sachen ICE-Neubaustrecke auf einer Linie mit der Stadt Bückeburg und dem Landkreis Schaumburg sieht, grenzt sich der Verein Landschaftsschutz Schaumburg aber auch deutlich von der heimischen Politik ab. Grund sind die unterschiedlichen Positionen zum Bauerngut-Neubau: Es sei schon „sehr makaber“, schreibt Frenzel-Rückert, wenn sich Stadt und Landkreis aktiv für die Rettung von Natur und Landschaft im Norden Bückeburgs einsetzten, zugleich aber die Teillöschung des Landschaftsschutzgebietes Bückeburg-West/Sandfurth aktiv vorantrieben.
Das Bauerngut-Projekt dürfte allerdings auch sehr interessant für die Planer des Bahnprojektes Hannover-Bielefeld werden. Denn bei der Festlegung des erstmals am 31. Januar in Bückeburg vorgestellten Korridors für die „Verbindungsspange Minden“ scheinen sie das Bauvorhaben des heimischen Fleischwarenverarbeiters ebenso übersehen zu haben wie das Bückeburger Neubaugebiet „Am Kleinenbremer Wege“.
Übersehen wurden daneben von den Planern der Bahn u.a. der Flugplatz des Luftsportvereins, das Naturschutzgebiet Hofwiesen und der Übungsplatz der Bundeswehr. Letztere ist jedoch voraussichtlich ein Gegner, an dem sich die DB AG die Zähne ausbeißen wird.
Zur Deutschen Bahn AG:
Mit der Bahnreform von 1994 begann der eigentliche Niedergang der Bahn.
Die gute alte Eisenbahn ist seitdem wie ein Privatunternehmen aufgestellt, einerseits dem Gemeinwohl verpflichtet, anderseits auf Börsenfitness getrimmt. Dieser Spagat hat nicht funktioniert. In den Jahrzehnten nach der Privatisierung wurden Bahnhöfe geschlossen und massiver Personalabbau betrieben. Das zentrale öffentliche Reisemittel wurde auf Verschleiß und so direkt vor die Wand gefahren.
Das Ergebnis jahrzehntelanger Schlamperei ist aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes zu entnehmen. „Das an Kapazitätsgrenzen stoßende Schienennetz ist marode.“
Die Deutsche Bahn befindet sich in einem nahezu irreparablen Zustand und die derzeit laufende „Generalisierung“ soll 2027 abgeschlossen sein.
Die Zielvorgabe für den Deutschlandtakt wurde auf 2070 verschoben. Mit anderen Worten: Eine funktionierende Deutsche Bahn wird es voraussichtlich erst in 43 Jahren geben (wenn es zu keiner Verspätung kommt....).
Politisches Vollversagen lässt sich selten deutlicher erkennen.
Zu politischen Entscheidungen:
Aber machen wir uns nichts vor. Entscheidungen, die auf einer politischen Ebene getroffen werden, sind unantastbar.
Da hilft auch das plötzliche Engagement von Landrat Farr, Bürgermeister Wohlgemuth und dem Bückeburger Stadtrat gar nichts.
Die Politik in Berlin macht es vor und der Bückeburger Stadtrat macht es nach.
Es ist schon makaber, wenn sich dieser Kreis für den Erhalt der Bückeburger Landschafts - und Naturschutzgebiete im Norden einsetzt und gleichzeitig die Vernichtung des Landschaftsschutzgebietes Bückeburg West/Sandfurth voran treibt. In dieser Sache liegt die Entscheidungsgewalt einzig und allein bei dem Landkreis Schaumburg und dem Bückeburger Stadtrat.
Aber vielleicht wurde die Entscheidung bereits 2019 getroffen, als Landrat Jörg Farr für sich, die Stadt Bückeburg und EDEKA/Bauerngut erkannte, dass das Landschaftsschutzgebiet „hervorragende Erweiterungsmöglichkeiten“ bietet? Waren darauf folgende Informationsveranstaltungen und Bürgerfragestunden nur Ablenkungsmanöver?
Der Bückeburger Stadtrat hat jedenfalls weiterhin Augen und Ohren geschlossen und ist nicht bereit, sich den aktuellen Gegebenheiten zu stellen. Die Entwicklung der letzten 3 Jahre, damit meinen wir die klima - und gesellschaftspolitischen Entwicklungen, werden komplett ignoriert.
Anfang Juli 2023 entscheidet der Kreistag, ob einer Teillöschung des Landschaftsschutzgebietes Bückeburg West/Sandfurth zugestimmt wird.
Da kann man gespannt sein, wie sich die neuen Klimaschutz - Aktivisten - Herr Farr, Herr Wohlgemuth, der Landkreistag, sowie der Stadtrat Bückeburg - positionieren werden.